„O ODPUSTACH 500 LAT PÓŹNIEJ. EKUMENICZNA LEKTURA 95 TEZ KS. DR. MARCINA LUTRA”

Ökumenisch über Ablässe. Die Thesen des Pfarres Doktors Martin Luther gelesen nach 500 Jahren

  

  1. Die Geschichte der Ablässe
  2. Die ersten drei Thesen
  3. Der Ablass und die Frömmigkeit
  4. Der Ablass und die Göttliche Strafe
  5. Der Ablass und das Fegefeuer
  6. Die theologische Kritik über die Ablässe
  7. Der Ablass und die Taten
  8. Der Schatz der Kirche im Kontext communio sanctorum

 Statt des Schlusses – ein Interview: Ökumenismus als der Weg vom Konflikt bis zur Gemeinschaft

 Anhang: Predigten und Vorlesungen, gehalten im Rahmen der Breslauer ökumenischen Wochen

 Als den Ausgangspunkt der Reformation nimmt man die Verkündung der 95 Thesen vom Priester Dr. Martin Luther an. Luthers Thesen trafen den Nerv der Zeit, der der Wunsch nach der Reform der Kirche war. Innerhalb von 14 Tagen umrundeten sie die Welt, was Luther mit dem Kommentar versehen hat, „als ob der Engel sie vor die Augen aller Deutschen gestellt hätte“. Die Thesen Luthers dürfen nicht dämonisiert werden. Sie knüpften an die akademische Sitte an. Nach den Universitätsstatuten war Luther verpflichtet, neben den Vorlesungen auch die wissenschaftlichen Dispute zu führen. 500 Jahre nach der Verkündung der 95 Thesen Luthers ist es wertvoll, den Disput mit den Thesen Luthers aufs Neue aufzunehmen. Luthers Thesen waren ein Funke, der den Konflikt entfachte und deshalb, durch die Diskussion über die Thesen, soll sich die Rückkehr zur Einheit vollziehen. Da das runde Jubiläum der Reformation zum ersten Mal ökumenisch gefeiert wird, soll man an die Thesen Luthers ökumenisch herangehen. Als Hilfe können Dokumente dienen, die die Früchte der lutherisch-katholischen Dialoge sind: über die Rechtfertigung, über die Mutter des Herren, über die Heiligen, über den Vorrang des Papstes, über die Eschatologie und über communio sanctorum. Man kann also fragen, wie man die von Luther in den Thesen berührten Probleme im Kontext der gegenwärtigen, lutherisch-katholischen Dialoge lösen kann. Diesen einzelnen Problemen wird die Struktur des vorliegenden Buches unterordnet. Sie erinnert an die kommunizierenden Gefäße. Jedes Gefäß enthält eine dogmatische Frage, unentbehrlich für das Verstehen des Ablasses. Das erste von den kommunizierenden Gefäßen ist die Erinnerung an das Bußsakrament. Der Ablass ist mit der Genugtuung eng verbunden, die ein intergraler Bestandteil dieses Sakramentes ist. Die weiteren kommunizierenden Gefäße  sind die drei ersten Thesen Luthers. Sie sind wie ein Anfangstakt einer Symphonie, mit der man die Thesen vergleichen kann. Sie stellen das Bußsakrament in den Kontext der Bekehrung, verstanden als metanoja. In den weiteren Gefäßen gibt es solche Fragen, wie die Frömmigkeit, die Göttliche Strafe, das Fegefeuer, den Papst, die Marienverehrung, die Reliquien, die Barmherzigkeit, den Schatz der Kirche.

Der Ablass ist aus dem Akt des Pönitenten hervorgegangen, welcher die Genugtuung ist. Ursprünglich wurzelte er in der Bußpraxis und wurde eine allgemeinkirchliche Angelegenheit in der Kommpetenz des Papstums. Im Bezug auf die Erlösung wurde er das notwendige, bessere und wirksamere Ding. Von der Peripherie der Doktrin wurde er in ihr Zentrum verschoben. Er wurde zum Gegenstand der Aussagen des kirchlichen Lehramtes: der Päpste und Konzilien. Gegenwärtig wurde der Ablass vom Zentrum der Doktrin auf ihre Peripherien verschoben. Der Ablass gehört nämlich nicht zu den Grundglaubenswahrheiten. Im Bezug auf die Erlösung gibt es Dinge, die notwendiger, besser und wirksamer sind als der Ablass. Christus ist der einzige Weg zur Erlösung. Den Ablass kann man schätzen, aber man darf ihn nicht überschätzen. Deshalb wird er nicht verordnet, sondern „der heiligen Freiheit der Kinder Gottes“ überlassen. Als Luther die Thesen verkündete, lehnte er die Ablässe noch nicht ab. Er wollte nur für sie eine entsprechende Stelle in der Hierarchie der Frömmigkeit finden – nicht eine zentrale, sondern eine dem Prinzip des Vorranges der Gnade  unterordnet. Nach 500 Jahren seit der Verkündung seiner Thesen muss man mit seiner Ansicht übereinstimmen, die sehr bildhaft in der 55. These  zum Ausdruck gebracht wurde: „Meinung des Papstes ist unbedingt: Wenn Ablässe, was das Geringste ist, mit einer Glocke, einer Prozession und einem Gottesdienst gefeiert werden, dann muss das Evangelium, das das Höchste ist, mit hundert Glocken, hundert Prozessionen, hundert Gottesdiensten gepredigt werden“. Die Ablässe sind nicht mehr die verlangte, frömmige Praxis, aber sie sind das vererbte Element der Bußdisziplin der Kirche. Sie entwickelten sich in der abendländischen Kirche und bildeten kein Element, der die Westkirche von der Ostkirche trennen würde. Sie sollten auch kein Hindernis bei dem Erlangen zur Einheit der Lutheraner und Katholiker sein. Die Lutheraner sollten sie auch nicht als die Bedingung für diese Einheit akzeptieren. Wenn die Gläubigen der römisch-katholischen Kirche – trotz des Gebotes Christi nehmt und trinkt – nicht zur Annahme des Eucharistiesakramentes unter zwei Gestalten verpflichtet sind, dann sind sie vielmehr zu den Ablässen nicht verpflichtet, die das Evangelium überhaupt nicht erwähnt. Sofern das Gebot Christi nehmt und trinkt im Bezug auf die Eucharistie ein Vorbild sein sollte, sollte die Erlangung der Ablässe dieses Vorbild nicht sein. Das Jahr 2017 erinnert an das „Evangelium der Gnade Gottes“ (Dz 20, 24), sowohl für die Lutheraner, die das 500. Jubiläum der Reformation feiern, als auch für die Katholiken, die das 100. Jubiläum der Marienerscheinung in Fatima feiern. Die Gnade Gottes ist das aus der Quelle sprudelnde Wasser und diese Quelle ist Christus (vgl. J 4, 14). Bei dieser Quelle treffen sich – jeder aus einem anderen Grund – die Evangelischen und Katholischen im Jahre 2017. Wenn – trotz der bestehenden Unterschiede – etwas die Feierlichkeiten der Evangelischen und Katholischen verbinden soll, dann ist das die Freude daran, dass sie die Antwort auf die Frage „Wie ich den gnädigen Gott finde?“ kennen. Die Antwort auf diese Frage ist der Christus, der die Sünder rechtfertigt.